Shadanga Yoga, Das sechsgliedrige Yoga

Asanam prAnasamrodhaH pratyAhArasca dhAranA dhyAnam samAdhiretAni yogANgAni bhavanti sat
Die Körperhaltung, die Beherrschung des Atems, die Sammlung, die Konzentration, die Vertiefung, und die Einheit, dieses sind die sechs Glieder des Yoga.

1.7 Goraksha Shataka
von GorakshanAtha

Shadanga ist  ein Begriff aus dem Sanskrit und  bedeutet „sechs Glieder“. Shadanga Yoga ist eine traditionelle Form des Hatha Yoga.Um das Ziel des Yoga zu erreichen werden sechs Methoden verwendet, die stufenweise aufeinander aufbauen und ineinander übergreifen. Körper und Geist werden gleichermaßen trainiert wodurch körperliche Gesundheit, Wohlbefinden und geistige Ausgewogenheit erlangt wird. Diese Stärke und Ausgeglichenheit wirkt sich nicht nur während der Übungen, sondern auch nachhaltig im täglichen Leben positiv aus. Die Methode des Shadanga Yoga führt in das natürliche Gleichgewicht zurück. Zwei wichtige Grundsätze dieses Yoga sind spontane Natürlichkeit (Sahaja) und Gleichmut (Sama)


 

Gorakshanatha und Dattatreya lehren Yoga

Die sechs Glieder des Yoga sind:

Asanas (Körperhaltungen) stärken den Körper durch Muskelaufbau, aktivieren die Drüsen und Organe, geben Kraft und Ausdauer und machen den Körper durch Dehnung der Sehnen und Bänder geschmeidig und flexibel. Die Gelenke werden gestärkt, der Stoffwechsel angeregt und der Körper wird entgiftet. 

Pranayama (Atemkontrolle) beruhigt den Geist und führt zu innerem Gleichgewicht. Der Atem versorgt den Körper mit Lebenskraft und beinflusst so den Energiehaushalt. Das koordinierte Zusammenspiel des Atems und der Körperübungen vertieft die Asanas und führt zu nervlicher Entspannung und Stressabbau. Die daraus resultierende Ruhe schafft die Vorraussetzung für das dritte Glied des Shadanga Yoga. 

Pratyahara (Sammlung) ermöglicht  Selbstbetrachtung. Durch Asana und Pranayama wird der Geist beruhight und die Wahrnehmung wird von störenden äußeren Einflüssen befreit. Der Geist kommt  zur Ruhe und die Konzentration wird geschult. Die Fähigkeit zur Konfliktbewältigung wird erhöht und Agressionen abgebaut. Pratyahara schafft die Grundlage für den geistigen Aspekt des Yoga.

Die nächsten zwei Stufen: Dharana (Konzentration) und Dhyana (Vertiefung) bestehen aus mentalen Übungen. Sie werden erlernt, wenn der Schüler durch längere Praxis der vorherigen  drei Glieder bereit dafür ist. Diese meditative Vertiefung befreit von Belastungen (samskara) und Befleckungen (klesha) und ermöglicht inneren Frieden zu erlangen. In der höchsten Stufe, dem Samadhi (Einheit), ist der Geist  durch Yoga Praxis von seinen individuellen Beschränkungen vollkommen befreit.

Die Körperhaltung, Asana

Asanam iti sva svarUpe samAsannata svastikAsanam padmAsanama siddhAsanam etesAm madhye yathestam ekam vidhAya sAvadhAnena sthAtavyam

Asana bedeutet das man in seinem ursprünglichem Zustand verweilt. Nachdem man eine von den Haltungen wie Svastikasana, Padmasana, Siddhasana, angenommen hat sollte man diese aufmerksam beibehalten.

2.34 Siddha siddhAnta paddhatiH
von GorakshanAtha


"Asana” bedeutet "Sitz”. Asanas sind Körperstellungen, die über eine längere Zeit, mit kontrolliertem Atem und aufmerksamen Geist, gehalten werden. Asana ist das erste Glied des Yogaweges, es beschäftigt sich mit der Bewußtwerdung, Harmonisierung und Beherrschung des physischen Körpers.
Ein Yogaschüler wird Haltungen und Gegenhaltungen erlernen, um seinen Körper kraftvoll und geschmeidig zu machen. Asanas werden eingenommen nachdem der Körper durch Aufwärmübungen vorbereitet wurde. Eine Asana wird nicht erzwungen.

Im Gegensatz zum Sport geht es beim Yoga darum Muskelkraft so sparsam wie möglich einzusetzen. Die optimale Verlagerung des Schwerpunkts führt ins Gleichgewicht und alle Muskeln die nicht für eine Haltung notwendig sind, werden bewußt entspannt. Eine Asana sollte mindestens 6 tiefe, vollständige Atemzüge gehalten werden. Man kann so lange darin ruhen, wie die Kraft es zuläßt.<--break->

In den ungewohnten Haltungen, wie Vor-, Rück-, Seitbeugen und Umkehrhaltungen und der Dehnung und Streckung des Körpers, wird der Blut- Atem und Lymphfluss gezielt gelenkt. Der Körper wird in gesunden Stress versetzt. Das Blut wird abgepresst und die Muskeln werden über ihr Normalmaß gedehnt. Kehrt der Körper in den ursprünglichen Zustand zurück, saugt der betreffende Bereich frisches Blut auf, wie ein Schwamm. Die Zellen regenerieren sich.

Der Körper braucht Zeit sich auf diese ungewohnte Anforderung einzustellen. Es ist wichtig nach jeder Asana eine Zeitlang nachzuspüren, bis das System sich beruhigt hat, wobei man nach Innen schaut, um Veränderungen wie Wärme, Belebung, vermehrte Durchblutung etc.. wahrzunehmen.

Die Dehnung der Muskulatur ermöglicht es den Gelenken in ihrem vollen Maße tätig zu werden, weil sie in ihrer Funktion nicht mehr eingeschränkt sind.

Da jede Muskeldehnung eine Gegenmuskelanspannung erzeugt, ist es notwendig nach jeder Dehnung eine Gegendehnung vorzunehmen.

Es gibt im Yoga kein Wippen, Drücken, Ziehen oder Stoßen.  Das würde nur eine natürliche Schutzreaktion hervorrufen.  Eine Ausgewogenheit zwischen Stärke und Festigkeit  (Sthira) und angenehm entspannter Beweglichkeit (Sukha) ist das Ziel der Asanapraxis.

In der Asana entsteht ein Zwiegespräch mit dem Körper. Die innere Wahrnehmung ist  wichtiger, als eine vermeintlich korrekte äußerliche Ausführung

Erträgliches Unbehagen ist hinzunehmen bis Yoga zu einer Wohltat wird. Die wohltuende Wirkung auf den Körper geschiet trotz leichten Unbehagens.

Es ist wichtig, den Körper so wahrzunehmen und zu akzeptieren wie er ist, um herauszufinden wie wir individuell am besten mit ihm arbeiten können. Wir müssen uns Zeit nehmen und achtsam mit uns umgehen. Es ist spannend die eigenen Möglichkeiten, aber auch Begrenzungen zu erfassen, um Blockaden lösen zu können.Niemals dürfen wir über unsere Schmerzgrenze gehen. Das hätte höchstens zur Folge, daß ein Muskelstrang reißt. Ein Mensch, der in der Mitte oder am Ende seines Lebens mit Yoga beginnt kann nicht erwarten ebenso leicht eine Geschmeidigkeit zu erreichen wie ein Mensch der schon im Kindesalter Asanas erlernt. Die Erfahrung zeigt, daß der Anfang schwer ist, der Körper dann allerdings rasch geschmeidiger wird.
Yoga kennt keinen Wettbewerb. Weder mit anderen noch mit sich selbst. Geschehen lassen, den Verzicht auf Anstrengung zu erlernen kann zunächst schon schwierig genug sein.

Der rastlose Geist und der schwerfällig reagierende Körper können allein durch die Konzentration auf den Atem miteinander verbunden werden.

Zu jeder Asana gehören ein bewußtes Hineingehen und Herauskommen, die durch die Atmung erleichtert werden. In der Regel führt eine Ausatmung in eine Haltung hinein und die Kraft der Einatmung unterstützt das Herauskommen. Jede Bewegung folgt dem Atem.

Geatmet wird während der Yogapraxis ausschließlich durch die Nase, so wird die trockene Luft bei der Einatmung gefiltert, gereinigt und erwärmt. Die warme Luft aus der Lunge befeuchtet die Nasenschleimhäute bei der Ausatmung und stellt gesunde Bedingungen für die nächste Einatmung her.Jede Ausatmung hilft dabei loszulassen und zu entspannen, die Einatmung kräftigt und stabilisiert den Körper in der eingenommenen Position.

Der Atem soll langsam, tief, gleichmäßig und ohne jede Anstrengung fließen. So bietet er eine gute Konzentrationshilfe und die Achtsamkeit in den Haltungen fällt leichter.

Die Reglosigkeit in den Asanas hat nichts mit Untätigkeit zu tun. Ist die gewünschte Haltung eingenommen, entsteht eine Innenschau, getragen vom gleichmäßigen Fluß des Atems. Der Atem darf nicht ins Stocken geraten. Es ist wichtig eine Asana abzubrechen, bevor sie unangenehm wird und man sich verkrampft, oder einen die Kraft verläßt kontrolliert aus der Haltung zu kommen. Durch das Zusammenspiel von Atem, Geist und Körper, wird eine Haltung zur Asana. Zu jeder  Asana gehören neben der körperlichen Haltung auch Atemtechnik (Pranayama) und geduldiges Auslöschen von äusserlicher Ablenkung durch Sinneseindrücke (Pratyahara)

Doch weder Konzentration auf den Atem, noch eine nach Innen gerichtete Aufmerksamkeit lassen sich erzwingen. Sie entstehen durch regelmäßiges Üben von allein.

Durch gewohntes Handeln wird der Geist unaufmerksam. Eine Routine entsteht. Durch die ungewohnten Bewegungsabläufe In der Yogapraxis wird die Aufmerksamkeit geschult. Es entsteht eine Wachheit, die auch im Alltag sehr nützlich ist. Durch die  Routine der täglichen Handlungen entwickeln sich die meisten Menschen einseitig. Bei einem  Rechtshänder wird die rechte Körperhälfte deutlich stärker sein. Das soll mit der Asanapraxis ausgeglichen werden. Körper und Geist finden in eine Ausgewogenheit zurück.

Es gibt keine perfekt ausgeführte Asana. Auch wenn man viele Jahre Yogahaltungen übt, wird man selbst in einer einfach anmutenden Haltung immer wieder auf neue Erfahrungen und Herausforderungen stoßen. Man wird tiefer und tiefer in die Haltung gehen können und eine immer feinere Wahrnehmung entwickeln. Es werden sich neue Wege eröffnen und jedesmal wird man erstaunt darüber sein, wie groß die Weisheit und wie unendlich weit der Weg eines Yogi ist.Die körperliche Kraft und Geschmeidigkeit die durch die Asanapraxis erworben werden, befähigen den Yogi, ohne Ablenkung durch körperliches Unwohlsein, eine lange Zeit in aufrechter Sitzhaltung die geistigen Übungen des Yoga zu praktizieren.

Der Atem, Pranayama
Herrschaft über die Lebensenergie 

prAnAyAma iti prAnasya sthirata recaka pUraka kumbhaka samghattakarana catvari prAnAyAma laksanAni

Pranayama ist Stetigkeit des Atems, die Ausatmung , die Einatmung, das Atemanhaltens, und deren Verbindung das sind die vier Merkmale der Atemkontrolle.


2.35 Siddha siddhAnta paddhatiH
von GorakshanAtha

Der Atem verbindet unser Innerstes mit der Außenwelt. Er ist die Brücke zwischen dem Bewußtsein und dem Unbewußten und die Verbindung zwischen Körper (Vergangenheit) und Geist (Zukunft) mit der Gegenwart. Einzig der Atem lebt in diesem Moment. Im Hier und Jetzt.

Atem ist ein Zeitmaß. Ein gesunder ausgewogener Mensch atmet 21.600 Atemzüge in 24 Stunden. Das heißt 10800 solar (rechtes Nasenloch) und 10800 lunar (linkes Nasenloch) Atmungen. Eine solare Atmung regt an, die lunare Atmung beruhigt. Die Einatmung soll gleichmäßig, tief und ungezwungen fließen und die Lunge mit der Ausatmung so vollständig wie möglich entleert werden. So sollte es sein, aber durch Schicksalsschläge, Hektik und Überforderung gerät das leicht aus der Balance.

Der moderne Mensch tendiert dahin zu flach und viel zu schnell zu atmen. c.a. 18-20 Atemzüge pro Minute sind normal. Dabei wird nur 1/8 der Lungenkapazität genutzt und nur ein 1/6 der Luft ausgetauscht. Bei körperlicher Anstrengung hingegen fordert unser Körper den Atem ein und wir tauschen zehn mal soviel Luft aus. Die Pranayama Übungen harmonisieren und festigen den Atemzyklus.

Der Atem verbindet das Unbewußte mit dem Bewußtsein. Halten wir zum Beispiel den Atem an, geschieht das zum Teil bewußt (z.B.beim Lauschen und wenn man sich konzentriert), oft aber auch ganz unbewußt. (z.B.wenn an Angst hat oder einem das Vertrauen fehlt). Aber nicht nur der Atem stockt. Die Lymphzirkulation, die die Schlacken und Unreinheiten aus unserem Organismus transportiert, wird durch den Atem angeregt. Bei unzureichender Atmung findet die Zellerneuerung nicht in ausreichender Menge statt. Falsches Atmen läßt uns schneller altern. Auch die Muskulatur, die durch tiefen Atem entspannt wird, zieht sich bei flacher Atmung zusammen und verhärtet sich. Blockaden entstehen.

Ist ein Muskel erst einmal verspannt, ist es kaum noch möglich ihn mit frischer Energie zu versorgen. Der Schmerz nimmt uns die Luft weg und läßt uns, um weiteren 
Schmerz zu vermeiden, eine Schonhaltung einnehmen. In der Schonhaltung kann der Atem dann gar nicht mehr bis in die Verspannung vordringen um sie zu lockern.

Ein Mensch der Schmerzen hat, atmet flach und ist nicht gerade gut gelaunt und entspannt. Ist man aber gereizt und nervös, verspannt der Körper immer mehr. Die Stufen des Aufstiegs von &quot;Nada&quot;Diesen Kreislauf gilt es zu durchbrechen. Am Anfang steht das Erkennen des Zusammenspiels von Geist, Körper und Atem. 

Wenn unserGeist einen Impuls erhält, analysiert unser Gehirn diesen und sendet Aufträge an das Nervensystem, durch die dann verschiedene Muskeln angespannt oder entspannt werden.
Um ausgeglichen und geschmeidig zu werden, darf der Geist sich von äußeren Impulsen nicht so stark beeinflussen lassen. Kommt e
r zur Ruhe, fließt der Atem tief und gleichmäßig und versorgt die Muskeln mit frischem Blut und neuer Energie. Der Körper entspannt sich.

Der einfachste Weg einen ruhigen Geist zu entwickeln ist einfach mal tief durchzuatmen. Wenn wir es lernen unseren Atem zu kontrollieren, wird unser Geist äußeren Einflüssen nicht mehr so ausgeliefert sein. Wir können gelassener an Aufgaben herangehen und haben all unsere Kraft zur Verfügung.

Durch Pranayamapraxis  gelingt es uns den Atem zu vertiefen. Herrschaft über den Atem zu erlangen. Dieses muß individuell und mit Leichtigkeit erlernt werden und darf nie zu Stress bei der Atmung führen.

Bedeutung des Pranyama in der Praxis der Vertiefung (Dhyana)


Im Goraksha Shataka  einer mittelalterlichen Schrift der Nath Tradition, die dem grossen Yogi und Begründer des Hatha Yoga Gorakshanath zugeschrieben wird, steht geschrieben:

 "Wer seine geistigen Aktivitäten zur Ruhe gebracht hat bringt auch den Atem zur Ruhe, stockt der Atem stockt auch der Geist. Wie Milch und Wasser (zusammengegossen) eins werden, wird auch Geist und Atem eins. So wie sich der Atem verhält, so verhält sich der Geist. So man den Einen beherrscht folgt auch der Andere. Der Geist meistert die Sinneseindrücke und die Wünsche. Der Atem meistert den Geist. Das was den Atem meistert, ist die Auflösung (Laya) und Laya basiert auf dem Klang (Nada)."

Eine andere Übersetzung für das Wort Prana ist Lebensenergie. Prana fließt in feinstofflichen Kanälen. Diese Kanäle heißen Nadis. Nadis lassen sich durch Atemübungen reinigen und öffnen.
Der Atem stellt die Verbindung zwischen dem grobstofflichen und dem feinstofflichen Körper her. Ein Yogi kontrolliert über seinen Atem seinen Geist, seinen grobstofflichen und seinen subtilen Körper. Der Subtilkörper besteht aus den Kanälen (nadi) den Lebensenergien oder Winden (pranavayu) den Tropfen (bindu) und den 8 mentalen Bausteinen (Puryastaka).

Die Mantrapraxis im hatha Yoga basiert, wie im Goraksha Shataka erklärt, darauf die Meditation der Auflösung (Laya) mittels Klang oder Vibration (Nada) zu praktizieren, um damit sowohl den Atem als auch den Gerist zu beruhigen. Unter all den Mantras wird die Vertiefung in das Prinzip der Vibration besonders mit dem "Om" und dem Prasada Mantra "Hamsah" geübt.

Pranayama  in Verbindung mit der Sprache in der Form von Mantras und der Meditation über den Klang an sich und seine Bedeutung, sind wirksame Methoden des Hatha Yoga, die auf dem Pranayama aufbauen und es vertiefen. Sie nutzen Meditationen, Sprache und Klang um den Atem und die Lebensenergie zu meistern. Dies führt zur Vergegenwärtigung der Untrennbarkeit von Gegensätzen wie die zwischen Subjekt und Objekt, und anderen tiefgehenden Erfahrungen und Erkenntnissen. Die nebenstehende Abbildung illustriert die zunehmende Verfeinerung, das Aufsteigen (uccharana) der Lebensenergie, des Atems und des Klanges, im yogischen Subtilkörper und über ihn hinaus in den Raum (kha, akasha).

Die Sammlung, Pratyahara

pratyAhAra iti caitanya turanAgAnam pratyAhAranam vikAra grasanam utpanna vikArasyApi nivrittir nirbhAtIti pratyahara lakshanAm

Die Sammlung ist wie das Zähmen von Pferden, es ist das Beruhigen der störenden Zustände und das Bezwingen der Veränderungen des Geistes, dieses sind die Merkmale von Pratyahara.

Kapitel 2.35 Siddha siddhAnta paddhatiH von GorakshanAtha
von GorakshanAtha

 

Pratyahara das dritte Glied im sechsgliedrigen Yoga, bedeutet wörtlich übersetzt „Absorption“ "Rückzug" oder "Zurückziehen" Im Zusammenhang mit dem Yoga bedeutet der Begriff die Kontrolle über die Sinne und das Zurückziehen oder Isolieren des Bewusstseins von störenden Sinneseindrücken. Am ehesten zu beschreiben mit dem Begriff "Sammlung". Körper und Geist werden durch die Yogapraxis in Einklang gebracht.

Der Körper wird gekräftigt, gesund erhalten und von Unreinheiten befreit. Aber auch unsere Innenwelt wird bereichert und gestärkt. Wir erlangen neue Selbsterkenntnisse und erlernen geistige Fertigkeiten die unser Leben bereichern und uns den Umgang mit Problemen erleichtern. 
Pratyahara ist das Erste der Glieder des Yoga, das sich vornehmlich mit unserer Innenwelt beschäftigt . Die beiden vorhergehenden Glieder, das Erlernen der Asana und Pranayama, sind hauptsächlich körperliche Übungen. Pratyahara die Kontrolle des Geistes ist der Beginn  der weiteren Glieder des Yoga , die sich danach immer ausführlicher mit unserer Innenwelt beschäftigen:

Konzentration (skt.dharana)
Vertiefung (skt.dhyana) und
Einheit (skt.samadhi)

Die fünf Methoden des Pratyahara

"angamadhya yathAngani kUrmaH sankocayed dhruvam yogi pratyAharatyevam indriyani tathAtmani"
Wie eine Schildkröte schnell ihre Gliedmassen nach innen ziehen kann, so  zieht der Yogi die Sinne zurück in sein Selbst.

6.3 hathapradIpikA
von svAtmArAma

1.) Die erste Methode ist das vollständige  Zurückziehen der Sinne von den äusseren Objekten in der Meditation. Hierfür nimmt man eine der Yoga Sitzhaltungen ein, übt dann Pranayama und  lenkt in der folgenden Meditation seine Aufmerksamkeit nach Innen,  so dass man für diese Zeit unberührt von  störenden äusseren Eindrücken zu sich selbst und zu innerer  Ruhe findet.
Man übt Pratyahara aber nicht nur in der Abgeschiedenheit der Meditation für eine begrenzte Zeitspanne sondern auch im tägllichen Leben wenn man Sinneseindrücken ausgesetzt ist und seinem Tagesablauf nachgeht.
Die  3 folgenden Methoden des Pratyahara beschäftigen sich damit den Geist auch im Alltag zu beruhigen.

2.) In der zweiten Art des Pratyahara übt man sich darin, seine eigene Wahrnehmung  und seine Umwelt als Teil eines  grösseren Ganzen  zu erkennen. Vom Yogi wird die Aussenwelt  in das eigene Selbst absorbiert.

Wenn man auf diese Weise die äussere  Welt und seine  innere Wahrnehmung nicht mehr als getrennt empfindet, sondern als ineinander verwoben, findet man auf eine andere Weise zu sich selbst, als in der Stille der Meditation. Die Eindrücke die sonst von aussen störend einwirken, erscheinen nun als Bestandteil des eigenen Geistes.

3.) Die dritte Methode des Pratyahara besteht darin das man sich bemüht bei seinen täglichen Aktivitäten, weder durch  den Wunsch erfolgreich zu sein, noch durch  die Angst vor einem Misserfolg  in  Unruhe zu geraten, sondern man gibt diese Wünsche  auf, versucht entspannt zu bleiben und  die Früchte seiner Tätigkeiten, seien sie nun angenehm oder unangenehm ohne Wertung  zu akzeptieren. 

4.) In der  vierten Methode des Pratyahara übt man sich darin eine ausgewogene Einstellung zu den Sinneseindrücken zu entwickeln. Ohne Abhängigkeit von angenehmen Sinnes Erfahrungen oder Furcht vor unangenehmen Eindrücken verweilt der Yogi in Gleichmut (sama). So empfindet er alle unterschiedlichen Sinneseindrücke, ob Hitze  oder Kälte, angenehme oder unangenehme Geräusche, Gerüche oder Geschmäcker, nicht als störende Eindrücke von aussen, sondern als Vorgänge seines Bewußtseins

5.) Die fünfte Art des Pratyahara besteht aus einer konkreten Meditation: Man lenkt seine Aufmerksamkeit nacheinander ausschliesslich  auf einen von 16 lebenswichtigen Punkten (skt. Adhara) des Körpers und entzieht die Aufmerksamkeit den anderen Regionen. Dieses erfolgt in einer Reihenfolge von unten nach oben und umgekehrt.

Pratyahara, Dharana und Dhyana, beschäftigen sich fortschreitend intensiver mit den Vorgängen der Wahrnehmung, dem wahrnehmenden Bewusstsein und den Mitteln der Wahrnehmung. Die Meditationen beschäftigen sich mit dem Zusammenspiel und der Verwobenheit  von  dem "Erkenner" (skt. Pramatr) dem "Erkennen" (skt.Pramana) und dem Objekt der Wahrnehmung dem "Erkanntem" (skt.Prameya)

 

Die Konzentration, Dharana 

 dharAneti sa bAhyAbhyantara ekam eva nija tattva svArupa evAntaH karanena sAdhayetyatha yad yad utpadyate tat tan nirAkAre dhArayet svAtmAnam nirvAta dIpam iva sandhArayet

Dharana ist die Kontemplation das alles was als Innen und Aussen erscheint, eins ist mit der Selbstnatur, der einem ursprünglich zueigenen Form, so gehen alle Veränderungen die im Geiste aufsteigen ins Substanzlose über. Auf diese Art ist das eigene Selbst unbewegt wie eine Flamme die sich in einem windstillen Raum befindet.

 

2.37 Siddha siddhAnta paddhatiH
von GorakshanAtha


Dharana bedeutet im Sanskrit Festigkeit, Ruhe, Unterstützung. Im Bezug auf die Lehre des Yoga bedeute es die Festigkeit oder Ruhe des Geistes die man, mit der Konzentration auf ein diese Geistesruhe unterstützendes Objekt, erlangt. Die in den vorhergehenden Gliedern des Yoga erzielte Ruhe und Festigkeit des Körpers, des Atems und des Geistes, befähigt den Yogi nun sich, ohne Ablenkung und mit tiefer innerer Ruhe, einem bestimmten Objekt der Konzentration zu widmen.

Die drei Methoden und Objekte
Im Hatha Yoga gibt es drei Methoden und drei Arten von Objekten der Konzentration:

1.) Die erste Art des Dharana verbindet das Zurückziehen der Sinne von den Objekten der Wahrnehmung (Pratyahara) mit der darauffolgenden Konzentration auf die ursprüngliche und unwandelbare Natur des Geistes (atma). Dieser Seinszustand ist unberührt von der Unterscheidung in Erkenner und  Erkanntem. Dieser Seinszustand wohnt  allen Wesen inne und ruht in sich selbst, frei von äusseren oder inneren Veränderungen.

2.) Die zweite Art des Dharana ist die Konzentration, auf das Prinzip des eigenschaftslosen und formlosen Raumes, der Leerheit (skt. Akasha, Shunya) oder auf das allumfassende und alldurchdringende Prinzip (brahman), das sowohl innerhalb wie ausserhalb des Körpers gleichermassen existiert.

3.) Die dritte Art des Dharana besteht darin eine Reihe konkreter Objekte bei der Konzentration zu benutzen: Die Symbole und Farben der fünf Elemente oder Aggregatzustände (panchamahabhutas), die entsprechenden mantrischen Klänge (Bijas), die fünf Lebensenergien oder Winde (Prana, Vayu), fünf Sinne und Sinnesorgane, geometrische Symbole, Gottheiten und andere Prinzipien (skt.tattvas). Diese Übungen zielen darauf ab sich der Verwobenheit, der gegenseitigen Einflussnahme, sowie der Einheit und Untrennbarkeit von Innen und Aussenwelt bewusst zu werden und diese Prinzipien zu meistern.

Die fünf Elemente oder Aggregatzustände (skt. Bhuta, Tattva) der Yogaphilosophie:

Raum, Leerheit (skt. Akasha, Kha, Vyoma, Sunya)
Luft, gasförmiger Zustand (skt. Vayu)
Feuer, energetischer Zustand, Licht (skt.Agni, Tejas)
Wasser, flüssiger Zustand, (skt.Apas, Jala)
Erde, fester Zustand, (skt. Prithvi, Bhu)

Die praktischen Übungen, die aus Konzentrationen auf diese Prinzipien bestehen, beginnen einfach und werden im nächsten Glied des Shadanga Yoga genannt Dhyana,  zeitlich ausgedehnt, erweitert und vertieft.

Dhyana, die Vertiefung

Asti kascana paramAdvaitasya bhAvah sa evAtmeti yathA yadyat sphurati tat tat svarUpam eveti bhAvayet sarva bhUteshu sam drishtis ca.

Dieses (dhyana) ist ein Zustand höchstem Non-Dualismus, was immer im Geiste aufleuchtet ist Ausdruck der ursprünglichen Eigennatur und man sieht alle Dinge als gleichwertig an.

2.38 Siddha siddhAnta paddhatiH von GorakshanAtha


In dem vorangehendem Glied des Yoga, der Praxis von Dharana, lernt man die Aufmerksamkeit, frei von Ablenkung, für eine Zeitlang

1. in der Betrachtung der Natur des eigenem Geistes 
2. des gestaltlosen Raumes oder 
3. auf einem bestimmten Objekt ruhen zu lassen.

Beim Dhyana wird die Zeitspanne und damit die  Intensität verlängert und bereits gelernte Kontemplationen zusammengefasst und ausgebaut. Man unterscheidet beim Dhyana grundsätzlich zwei Arten. 

Die zwei Methoden der Vertiefung:

1. Dhyana ohne Form
Der Geist wird ausschliesslich auf das Gestaltlose, Ungeborene gerichtet, das jenseits der Gegensätze von Form und Nichtform  angesiedelt ist. Es ist unberührt von allem (niranjan) und nicht von etwas anderem ableitbar (nirAlamba). Es baut auch nicht auf Ursachen und Vorangegangenes auf. Man erfährt durch diese Vertiefung die alldurchdringende Natur des Geistes, formlos und grenzenlos, gleich dem Raum (kha,akasha) und der Leerheit (shunya).

2. Dhyana mit Form
Die Kontemplation wird auf etwas Gestaltetes gerichtet. Der Yogi beginnt diese Meditationen mit einer verfeinerten Form der Meditation über die Elemente und Prinzipien (tattva) die bereits im Dharana eingeführt wurden. Ergänzend zu diesen Übungen, gibt es in der Stufe des Dhyana eine vielfältige Palette von fortgeschritteneren Kontemplationen, die sich mit der Meditation über die Energiezentren des Körpers (chAkra) und ihre Kräfte,  spontane innere Klänge (nAda), geometrische Formen, Lichter, Farben und ähnlichem beschäftigen. 
Neben abstrakten Objekten werden auch personifizierte symbolischen Abbilder von Gottheiten, Yogis und Siddhas und deren Eigenschaften als Objekte der Vertiefung gewählt. 

Raja Yoga
In den sehr fortgeschrittenen Methoden der Vertiefung werden alle bisher gelernten Methoden von Asana bis Dharana in einer Übungsreihe zusammengefasst. In dieser  vertieften Form der Konzentration lenkt man die Lebensenergie (prAnashakti) in bestimmte Körperregionen, Kanäle und Zentren, hier findet das Hatha Yoga seine höchste Form. 

Diese Methoden nennt man daher auch Raja Yoga, königliches Yoga. Hier werden alle bisherigen fünf Glieder des Yoga kombiniert angewandt, um das sechste Glied genannt Samadhi zu bewirken.

Samadhi, die Einheit

Samadhi sarva tatvAnAm samAvastha nirudyamatvam anAyAsa sthithimatvam iti samAdhi.

Der Zustand des Einklangs aller Prinzipien, ursachenlos, ohne Bemühungen, andauernd, ist der natürliche Zustand des Samadhi.

Kapitel 2.39 Siddha siddhAnta paddhatiH
von GorakshanAtha


Samadhi ist die Erfahrung der Einheit. Es ist das Ziel des Yoga. Samadhi wird beschrieben als ein natürlicher und spontaner (skt. sahaja), eigenschaftsloser und ungeteilter, (skt. alakh) makelloser, (skt. niranjan) Zustand des Körpers und Geistes,  der ohne auf etwas zu beruhen (NirAlamba) frei ist von eigener Bemühung und so auf natürliche Weise, entsteht.

Samadhi ist nichts was erarbeitet oder erst  erworben werden muss sondern ist uns angeboren (sahaja). Es ist ein natürlicher, harmonischer, entspannter, erfüllter und freudiger Zustand, der in jedem Menschen von Natur aus angelegt ist.

Da er nicht durch Bemühung erworben werden kann, tritt er von sich aus hervor, wenn die Ursachen für Schwierigkeiten, Leiden, Unruhe und Sorgen, ausgeräumt sind.

Die vorangehenden fünf Glieder des Shadanga Yoga, Asana, Pranayama, Pratyahara Dharana und Dhyana dienen dazu Körper, Sprache und Geist stufenweise von seinen, verschiedenen negativen Prägungen, Befleckungen und Hindernissen zu befreien damit diese ursprüngliche Natur des Geistes und Körpers hervortreten kann.